Hamas lässt erste Geiseln frei

Nahostkonflikt - Israelis warten auf die Rückkehr der Geiseln
© Emilio Morenatti/AP/dpa

Gaza-Abkommen

Gaza/Tel Aviv (dpa) - Nach mehr als zwei Jahren Gefangenschaft hat die Freilassung der ersten von der islamistischen Hamas im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln begonnen. Mehrere israelische Medien berichteten am Morgen, dass sieben der aus Israel entführten Menschen dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) übergeben wurden. Auf dem «Platz der Geiseln» im Zentrum der Küstenmetropole Tel Aviv brach am Morgen unter Tausenden dort versammelten Menschen Jubel aus. 

Insgesamt sollen heute die restlichen 20 lebenden Geiseln aus dem Gazastreifen freikommen, darunter vier Deutsch-Israelis. Medienberichten zufolge kamen bei der ersten Übergabe nach insgesamt 738 Tagen in qualvoller Geiselhaft Alon Ohel, Matan Angrest, Guy Gilboa-Dalal, Eitan Mor, Gali und Ziv Berman sowie Omri Miran frei. Ohel sowie Gali und Ziv Berman sind Deutsch-Israelis. Eine zweite Übergabe sollte am Vormittag stattfinden.

Israels Militär geht nicht davon aus, dass die Hamas auch alle 28 toten Geiseln heute - und damit innerhalb der im Rahmen der Waffenruhe vereinbarten 72-Stunden-Frist - übergeben kann. Nach der Übergabe der Geiseln an das IKRK sollen die Entführten innerhalb des Küstenstreifens an das israelische Militär übergeben werden. Im Militärlager Reim am Rande des Gazastreifens soll es ein erstes Wiedersehen mit Angehörigen, eine medizinische Untersuchung und die Möglichkeit zum Duschen und einem Kleiderwechsel geben. Danach sollen die Menschen in Krankenhäuser zur weiteren Behandlung geflogen werden.

Israel soll rund 2.000 palästinensische Häftlinge freilassen

Am Freitag war im Rahmen eines von US-Präsident Donald Trump initiierten Friedensplans eine Waffenruhe im Gaza-Krieg in Kraft getreten. Israel soll im Gegenzug für die Übergabe der Geiseln rund 2.000 palästinensische Häftlinge freilassen. Darunter sind bis zu 250, die zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt wurden. 

Die israelische Armee hatte sich mit Beginn der Waffenruhe auf eine vereinbarte Linie zurückgezogen. Die Armee hat aber immer noch die Kontrolle über etwa die Hälfte des von Israel abgeriegelten Küstenstreifens. Die Geiseln wurden unter grausamen Bedingungen festgehalten. Zuvor freigelassene Geiseln hatten von Folter und schweren Misshandlungen berichtet. In von Terrororganisationen veröffentlichten Videos waren stark abgemagerte Geiseln zu sehen. 

Trump: «Der Krieg ist zu Ende»

Nach Auffassung von US-Präsident Trump ist der Krieg ungeachtet der noch ausstehenden weiteren Friedensverhandlungen vorbei. «Der Krieg ist zu Ende», sagte der Republikaner an Bord der Air Force One zu Journalisten auf dem Weg nach Israel. Er gehe davon aus, dass die Waffenruhe halte. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte dagegen zuvor gesagt, der Kampf sei noch nicht vorbei. «Es liegen noch große Sicherheitsherausforderungen vor uns.» Einige Feinde versuchten, sich zu erholen, um erneut anzugreifen, hatte der israelische Regierungschef gesagt.

Netanjahu sprach am Vorabend der Übergabe der Geiseln von einem «historischen Ereignis». Es sei «der Beginn eines neuen Weges. Ein Weg des Aufbaus, ein Weg der Heilung», sagte er in einer Videoansprache. Der Tag werde neben der Freude über die Rückkehr der entführten Geiseln aber auch von Trauer über «die Freilassung der Mörder» geprägt sein, fügte er mit Blick auf die freizulassenden palästinensischen Häftlinge hinzu. 

Trump vor Abflug nach Israel: «Alle jubeln gleichzeitig»

Trump will am Vormittag (Ortszeit) in Israel zunächst Angehörige der Geiseln treffen und dann vor der Knesset - dem israelischen Parlament - eine Rede halten. Am Nachmittag will er dann zu einer «Nahost-Friedenszeremonie» anlässlich des von ihm vermittelten Abkommens zwischen Israel und der Hamas in den ägyptischen Küstenort Scharm el Scheich weiterreisen. Dort werden mehr als 20 Staats- und Regierungschefs erwartet, unter anderem aus Europa und der arabischen Welt. Anreisen wird auch Bundeskanzler Friedrich Merz. 

Kurz vor seinem Abflug nach Nahost sagte Trump Journalisten über den Verhandlungserfolg: «Alle jubeln gleichzeitig. Das ist noch nie zuvor passiert. Normalerweise jubelt nur einer, während der andere das Gegenteil tut.» Es sei das erste Mal, dass alle begeistert seien, sagte der Republikaner.

Lage im Gazastreifen verzweifelt

Nach zwei Jahren Krieg ist die Lage für die Palästinenser in dem von Israel abgeriegelten Gazastreifen verzweifelt. Hunderttausende Menschen müssen sich in einer zu weiten Teilen zerstörten, vermutlich von Blindgängern übersäten Trümmerlandschaft zurechtfinden, in der sie nur durch dauerhafte Hilfe von außen überleben können.

Seit Beginn der Waffenruhe hat Israel die Einfuhr von mehr Hilfsgütern in das Gebiet erlaubt: Täglich sollen rund 600 Lastwagen einfahren. Das ist nach UN-Angaben die Mindestmenge, um die Bevölkerung zumindest mit dem Nötigsten zu versorgen. Laut israelischen Sicherheitskreisen soll etwa auch die Reparatur von Wasserleitungen, Abwassersystemen und Bäckereien möglich sein. 

Streitpunkte bleiben

Es ist jedoch nicht absehbar, ob das Abkommen zu einem längerfristigen Ende der Kämpfe in Gaza führen wird. Zwei der größten Streitpunkte bleiben die Entwaffnung der Hamas, die in Trumps Friedensplan vorgesehen ist, und der komplette Abzug von Israels Armee aus dem Gebiet. Nach einem vereinbarten Rückzug hält sie weiterhin etwa die Hälfte Gazas besetzt. Die Hamas spricht Israel zudem weiterhin das Existenzrecht ab, Netanjahu und seine rechtsextremen Regierungspartner wollen die Hamas restlos zerschlagen.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Palästinenserorganisationen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze zum Gazastreifen verübt haben. Auf israelischer Seite wurden dabei etwa 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 als Geiseln nach Gaza verschleppt.

Israel reagierte darauf mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde kamen dabei bislang mehr als 67.000 Menschen ums Leben.

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Nahostkonflikt - Israel
Im Gazastreifen wurden bis zuletzt noch 48 Geiseln festgehalten, von denen laut israelischen Informationen noch 20 am Leben sein sollen. (Archivbild)© Oded Balilty/AP/dpa
Im Gazastreifen wurden bis zuletzt noch 48 Geiseln festgehalten, von denen laut israelischen Informationen noch 20 am Leben sein sollen. (Archivbild)
© Oded Balilty/AP/dpa
Nahostkonflikt - Israelis warten auf die Rückkehr der Geiseln
Die israelischen Geiseln sollten am Morgen frei kommen - nach mehr als zwei Jahren Gefangenschaft. © Leo Correa/AP/dpa
Die israelischen Geiseln sollten am Morgen frei kommen - nach mehr als zwei Jahren Gefangenschaft.
© Leo Correa/AP/dpa
US-Präsident Donald Trump
Donald Trump geht davon aus, dass der Krieg beendet ist. © Evan Vucci/AP/dpa
Donald Trump geht davon aus, dass der Krieg beendet ist.
© Evan Vucci/AP/dpa

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