Ungewöhnlicher Prozess in Hagen: Polizistinnen sollen von Schießerei geflohen sein

So einen Prozess gibt es in Deutschland nicht alle Tage: In Hagen müssen sich zwei Polizeibeamtinnen vor Gericht verantworten. Sie sollen von einem Tatort geflohen sein und dabei zwei Kollegen, die in eine Schießerei verwickelt wurden, nicht geholfen haben.

Zwei Polizistinnen aus Köln und Hagen (32 und 37 Jahre alt) stehen in Hagen vor dem Landgericht - verantwortlich ist das Amtsgericht Schwelm. Ihnen wird versuchte Körperverletzung durch Unterlassen vorgeworfen. Das ist so schon relativ unüblich, der Grund ist es dann erst recht:

Laut Anklage sollen am 5. Mai 2020 zwei Polizeibeamte in der Stadt Gevelsberg in einer Verkehrskontrolle Vitalij K. kontrolliert haben. Dieser habe sich zuerst kooperativ verhalten um kurze Zeit später auf beide Polizisten mit einer Waffe zu schießen. Bei dieser Schießerei sei einer der beiden Beamten von einem Projektil getroffen worden, das durch seine schusssichere Weste aufgefangen worden sein soll. Insgesamt 21 Schüsse sollen abgegeben worden sein.

Kurze Zeit später sollen die beiden angeklagten Polizistinnen P. B. und N.A. (37 und 32 Jahre) am Tatort mit ihrem Polizeifahrzeug angekommen sein. P.B. habe sich zunächst vorschriftsmäßig mit gezogener Waffe in eine "gedeckte Feuerstellung" begeben. Statt ihren Kollegen zu helfen, soll zuerst N.A. und anschließend auch P.B. geflohen sein, heißt es in der offiziellen Mitteilung der Justizstelle Hagen. Warum? Das wird sich in der Hauptverhandlung wohl zeigen.

Ihnen wird vorgeworfen, dass ihnen bewusst gewesen sei, dass sie ihre Kollegen dadurch "der Gefahr erheblicher Verletzungen" aussetzen würden.

Durch ihre Dienstausübung hätten sie sich jedoch verpflichtet, Leib und Leben ihrer bedrohten Kollegen "zu schützen". Die Angeklagten hätten mit ihrer Präsenz nicht nur die Situation entschärfen können - sie hätten vor allem ihren Kollegen in dieser bedrohlichen Situation zur Seite stehen müssen.

Für versuchte gefährliche Körperverletzung durch Unterlassen sieht das Gesetz in der Regel eine Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu fünf Jahren und sieben Monaten vor. Was derzeit feststeht: Den Polizisten war es gelungen, Vitalij K. festzunehmen. Erst in seinem Prozess kristallisierte sich heraus, dass die beiden Polizistinnen vom Tatort geflohen sein sollen. Dadurch kam erst alles überhaupt ins Rollen.

Autor: Joachim Schultheis